Himmelsburg

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So nannte man die Schlosskirche der Herzöge zu Sachsen-Weimar. Gemäß einer Architektur, in der Altar, Kanzel und Orgel übereinander angeordnet waren, kam der Musik gleichsam die Bekrönung des gottesdienstlichen Geschehens zu. Als Bach 1708 bis 1717 dort Hoforganist war, fand er eine 1657/58 von Ludwig Compenius (1603 – 1671) erbaute Orgel vor, die er dann gemäß eigener Vorstellungen 1712 / 13 durch den Weimarer Orgelmacher Heinrich Trebs (1678 – 1748) umgestalten ließ.

Der Weimarer Hof war streng lutherisch ausgerichtet. Von Herzog Wilhelm I von Sachsen-Weimar stammt das Lied Herr Jesu Christ, dich zu uns wend’, das Bach im Orgelbüchlein und in den 17 Chorälen bearbeitet. Johann Ernst Prinz von Sachsen-Weimar (1696 – 1715) war einer der begabtesten Schüler Bachs. Aus verschiedenen Aspekten der in Weimar entstandenen ›17 Choräle‹ schließe ich darauf, dass Bach diese seinen beiden 1713 kurz nach deren Geburt verstorbenen Kindern sowie dem 1715 im Alter von nur 19 Jahren verstorbenen Prinzen als ein musikalisches Tombeau gewidmet hat. Wenige Zeit vor seinem eigenen Lebensende hat Bach die 17 Choräle umgearbeitet. Da die ›letzte Leipziger Sammelhandschrift‹ die Neufassung der 17 Choräle sowie Bachs Sterbechoral enthält, hat sich daraus in späterer Zeit der Titel ›18 Choräle‹ ergeben. Ein übergeordneter Zusammenhang ist daher einerseits der des musikalischen Tombeaus sowie andererseits der Aspekt, dass dieser Choral, der sich zusätzlich auch im Erstdruck der Kunst der Fuge findet, anhand besonderer exemplarischer Merkmale gleichsam auf Bachs gesamtes Choralschaffen für Orgel verweist. Diese Merkmale zeigen Verbindungen zu folgenden Kompositionen Bachs: Choral 23 Als Jesus Christus in der Nacht der 36 Choräle; Choral Wenn wir in höchsten Nöten sein des Orgelbüchleins; Stück 20 Aus tiefer Not der ClavierÜbung III sowie: Satzfaktur etlicher Stücke der 17 Choräle.

In Weimar entstehen viele Orgelwerke, darunter in meinen Augen die Passacaglia c-Moll, das Orgelbüchlein, die Concerto-Bearbeitungen oder beispielsweise auch Toccata C-Dur BWV 564. Dieses mehrteilige Werk hat etliche Gemeinsamkeiten mit Bachs Trauerkantate Komm, du süße Todesstunde, die er auf den Tod des jungen Prinzen schrieb. Takt 1 dieser Kantate hat zudem große Substanzgemeinschaft mit Takt 1 des Praeludium C-Dur von Das Wohltemperirte Clavier, Teil II.

Forschung Prof. Martin Sturm: Zu Bachs Weimarer Zeit wurden auf Höhe der Orgelempore Türen angebracht, die durch Kurbelmechanismus zu öffnen und zu verschließen waren. Dadurch stand Bachs Weimarer Orgel gleichsam im Generalschweller. Dasselbe gilt für den Orchesterklang oder den Chorgesang. So kann man sich beispielsweise für die Kantate Himmelskönig, sei willkommen vorstellen, dass diese Türen während des Orchestervorspiels sehr langsam geöffnet wurden, um dann im Ersteinsatz des Coro zu kulminieren.

Nach dem Schlossbrand 1774 sind heute lediglich der Hauptturm und das Torhaus erhalten. In dessen erstem Stock befand sich die ›Landsknechtsstube‹, in der Bach 1717 vier Wochen im Arrest verbringen musste, bevor er – nachdem er, weil er aufgrund von Anstellungsverhandlungen mit dem Fürst von Köthen in Weimar in Ungnade gefallen war – die Erlaubnis zur Ausreise erhielt, um dann am Fürstenhof von Sachsen-Anhalt-Köthen die lang ersehnte Stellung als Hofkapellmeister anzutreten. Diese hatte er bis 1723 inne. Ab 1723 wirkt Bach dann bis zu seinem Tode in Leipzig als Kantor an St. Thomas und ›Director musices‹.

In der Weimarer Amalienbibliothek haben sich Abschriften des sehr jungen J. S. Bach zum Schaffen von Buxtehude gefunden. Sie waren Teil von Bachs Orgelnoten, die er an der Orgel der Himmelsburg zum gottesdienstlichen Gebrauch aufbewahrt hatte. Man kann aufgrund dieses Fundes darauf schließen, dass es Bach, nachdem er seinen Arrest verbüßt hatte, nicht mehr gestattet war, die Himmelsburg zu betreten, um seinen persönlichen Besitz in Gestalt eigener Noten an sich zu nehmen.

Im Jahr 2000 fand in Weimar ein symbolischer Akt statt, in dem Bach offiziell ›rehabilitiert‹ wurde.

CB