Herbst, Johann Gottlieb

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Folgt man den Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst von Christian Friedrich Daniel Schubart als einem Orgelinspektor in Süddeutschland in der Zeit des Sturm und Drang und zugleich einem der größten Improvisatoren seiner Zeit, dann lautet sein Urteil über die schönste Orgel in Deutschland: Die schönste aber von allen stehet in Halberstadt. Offen bleibt, welche Orgel Halberstadts Schubart hier rühmt. Aber gemeint ist vermutlich die 1718 fertiggestellte Domorgel, erbaut von Heinrich Herbst d. J. (um 1650 bis 1720) zusammen mit dessen Sohn, dem späteren Erbauer der Orgel in Lahm im Itzgrund. Erhalten hat sich in Halberstadt bis heute der Prospekt. Spuren der beiden seitlichen Spieltischanlagen sind ebenfalls vorhanden.

Der Erbauer der Halberstädter Domorgel war der Sohn von Heinrich Herbst d. Ä. (um 1620 bis 1687) aus Hildesheim. Dieser ist der Begründer einer Orgelbauerfamilie mit Sitz in Magdeburg. In dritter Generation wirkt Heinrich Gottlieb Herbst (1689 – 1738) als Sohn von Heinrich Herbst d. J. Es ist bezeugt, dass er der Erbauer der Orgel in Lahm im Itzgrund ist. Ansonsten existieren wenig Nachrichten und Nachweise über sein Wirken. Er wurde 1689 in Magdeburg geboren.

Sicherlich war das Domorgel-Projekt in Halberstadt mit Vertrag 1712 und Orgelweihe 1718 ein zentrales Unterfangen der Werkstatt Herbst. Auch wenn viele Spuren der einstigen Pracht Halberstadts durch Krieg und städtebaulichen Kahlschlag der DDR verloren sind, so erkennt man auch heute noch, dass Halberstadt im Spätmittelalter als Metropole konzipiert wurde. So nimmt der Besucher vom Domplatz aus drei große Kirchen wahr, die sich gleichsam in einer Linie aufreihen: Die Liebfrauen-Kirche im Westen, der Dom in der Mitte und die Kirche St. Martini im Osten. Diesem herrschaftlichen Gepräge trug auch die seinerzeit weltgrößte Blockwerkorgel im Dom zu Halberstadt von 1361 Rechnung, die Michael Praetorius noch antraf und in seinem Syntagma musicum beschrieb. Die Kirche St. Martini wiederum beherbergt seit 1770 jene Orgel, die 1596 für die Schlosskirche in Gröningen als eine der größten Renaissance-Orgeln damaliger Zeit von David Beck erbaut wurde. Seinerzeit waren die bedeutendsten Organisten Deutschlands, 53 an der Zahl, zur Orgeleinweihung geladen und Michael Praetorius wurde dorthin als Kammerorganist berufen. In St. Martini zu Halberstadt hat sich davon noch der Prospekt erhalten. Ein Rekonstruktions- und Restaurierungsprojekt ist seit langem intendiert.

Einer der wichtigsten Organisten in Halberstadt ist Andreas Werckmeister (1645 – 1706). Er wirkte von 1696 bis zu seinem Tod an St. Martini und war königlicher Orgelinspektor des Fürstentums Halberstadt. Das nach ihm benannte Stimmungssystem (Werckmeister I, II, III; s. Glossar: Stimmungssysteme) zeigt Werckmeister als einen der wichtigsten Musiktheoretiker und Musikphilosophen seiner Zeit (s. Glossar: Werckmeister). Er stand insbesondere auch in gutem Austausch mit Dietrich Buxtehude.

Zurück zum Erbauer der Herbst-Orgel in Lahm im Itzgrund. Sie ist heute die am besten erhaltene Orgel dieser Orgelbauerdynastie. Sie steht dort in der Schlosskirche und wurde 1732 erbaut (s. OLV Lahm). Dort war Johann Lorenz Bach (1695 – 1773), der aus der Schweinfurter Bach-Linie gebürtig war, ab 1718 als Schlossorganist tätig. Es gibt gute Gründe, anzunehmen, dass Johann Lorenz Bach, nachdem er 1713 – 1717 in Weimar Schüler seines berühmten Großcousins Johann Sebastian Bach war, sich an diesen gewandt hatte mit der Bitte um eine Disposition für eine neue Orgel dieser Schlosskirche. Herbst wurde dann mit der Ausführung dieser Disposition betraut. Johann Lorenz Bach wirkte von 1718 bis 1773 an dieser Orgel.

Eine Orgeldisposition, bei der J. S. Bachs Autorschaft definitiv gesichert ist, fertigte Bach im Zuge von Planungen des Weimarer Orgelbauers Trebs für Bad Berka an, wobei jedoch Bachs Disposition dann nicht zum Zuge kam. Bemerkenswert ist in dieser Disposition insbesondere das Register ›Tritonus‹ (siehe Orgeldispositionen; s. OLV Bad Homburg; siehe OLV Klais-Orgel 2016, Feature 11 mit Stichwort ›Tritonus‹).

CB