Gabler Dauphin Bach und die Crescendo Orgel 2024

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Energetik als Urphänomen

Die Astrophysik hat erbracht, dass sich die Energie des Universums daraus speist, was man seit einigen Jahrzehnten den ›Urknall‹ nennt.

Der Diskurs zur Aufführungspraxis barocker Musik und der Diskurs zur Orgel kreist seit Jahrzehnten um Akzeptanz oder Nicht-Akzeptanz energetischer Prozesse insbesondere beim barock intendierten Orgelspiel. Doch neben Wollen oder Nicht-Wollen ist es dann auch eine Frage des Vollbringens oder Nicht-Vollbringens.

In diesem Zusammenhang muss sich die Orgelzunft m. E. fragen lassen, warum man derart viel Starrheit im Orgelspiel beispielsweise auf YouTube antrifft und warum es nicht längst klar ist, dass derartige Starrheit mit lähmender Redundanz einhergeht und aus Gründen der Wahrnehmungspsychologie, also Gründen, dass Hören auf Basis eines Interesses an Wahrnehmung auf Information, Neugier und Faszination hin ausgerichtet ist, jedoch Nicht-Information infolge von Starrheit und Redundanz davon weg führt.

Daher gilt es insbesondere, unter der Prämisse des Unterscheidens als Quelle aller Information, allen Befundes und daraus folgend aller Erkenntnis dem Phänomen der Wahrnehmung an sich auf die Spur zu kommen. In diesem Zusammenhang sehe ich drei Aspekte ›vom Grundsatz her‹:

Gravitas als Urphänomen,

Energetik als Urphänomen,

Unterscheidung als Urphänomen.

Die folgenden Ausführungen wenden sich dem Crescendo-Gedanken in der Musik zu. Die Wortwurzel lat. crescere = wachsen – man denke an den beliebten Wahlspruch

vivat, crescat, floreat –

verweist auf Energetik als einem Urphänomen, ohne das es kein Leben, kein Gedeihen und kein Blühen gäbe.

Gemeinhin gilt das Phänomen des Crescendierens an der Orgel als ein Phänomen des 19. Jahrhunderts. Die leider sehr bittere Nebenwirkung – oder Hauptwirkung – der Orgelbewegung des 20. Jahrhunderts ist, dass sie in diesen Fragen stark ideologisierend wirkte, was bis heute deutlich spürbar ist, indem sie Orgel und 19. Jahrhundert als ›Verfallszeit‹ diffamierte.

Wenn aber der Crescendo-Gedanke in der Musik auf Energetik als Urphänomen basiert, dann muss die logische Schlussfolgerung lauten:

Wachsen und Vergehen = Energetik = Urphänomen

=

Grundbedingung aller Existenz

=

Grundbedingung aller Musik.

Da aber die Orgelbewegung als Predigerin vermeintlicher Objektivität es leugnete, Wachsen und Vergehen als Grundbedingung aller Existenz und somit auch als Grundbedingung aller Musik anzuerkennen und anstelle dessen eine

=

Formalismus und Starrheit

als Ideal von Orgelmusik propagierte, müssen selbst Phänomene, die man eigentlich als ›Selbstverständlichkeit‹ annehmen möchte, neu benannt und aufgeklärt werden.

Um nicht im Allzu-Grundsätzlichen stecken zu bleiben, möchte ich unter dem Überbegriff ›Energetik als Urphänomen‹ mit Blick auf den Crescendogedanken an der Orgel in folgende drei Ebenen hineinleuchten:

Ebene 1 Acht Aspekte, die es plausibel machen, im 17. Jahrhundert und dessen ›Seconda Prattica‹ die Wurzel musikalisch-energetischen Denkens zu erkennen, um dann ab ca. 1740 immer deutlichere Entwicklungsschritte des Crescendo-Gedankens an der Orgel festzumachen.

Ebene 2 Folgerungen und Weiterführungen

Ebene 3 Gabler, Dauphin, Bach und der Crescendogedanke an der Orgel

Zu Ebene 1 – Acht Aspekte

Die folgenden acht Aspekte machen es plausibel, bereits in einer Zeit ab ca. 1740 die Entwicklung des Crescendo-Gedankens an der Orgel anzunehmen:

1 Die Unterscheidlichen: Innerhalb der Palette der sogenannten Unterscheidlichen, also 8‘-Register unterschiedlicher Klangfarbe auf einem Manual, darunter neben dem Principal und dem Gedackt auch Quintatön und Viola di Gamba sowie evtl. Gemshorn und Flöte (s. Unterscheidliche) ergeben sich – so sagt es der Name – Unterschiede hinsichtlich Graden an Stärke, Sanftheit oder Schärfe, Dunkelheit oder Leuchtkraft. Es liegt auf der Hand, dass man von dort aus in der organistischen Praxis anhand des Gebrauchs sukzessiver Staffelung dieser Register sowie anhand unterschiedlicher Arten des Mischens zu nächsten Ordnungen gelangen kann.

2 Pars major – Pars minor: Die Art der Aufstellung von zwei Manual-Werken im Verständnis von Hauptwerk und Rückpositiv als gleichberechtige Partner – wobei das Rückpositiv dabei räumlich gesehen mehr Präsenz hat als das Hauptwerk – , wird ab etwa 1700 allmählich immer weniger präferiert. Stattdessen ordnet man dem anderen Manualwerk mehr und mehr die Rolle des Nebenwerks als Pars minor zu (s. Glossar: Pars major vs. Pars minor). Dabei begegnet man Aufstellungen als Hinterwerk (Bad Wimpfen, Ehrlich 1748) oder als Echowerk (Ochsenhausen, Gabler 1736 / 1751; Kloster Grafschaft, heute Kloster Banz, Seuffert 1744).

3 Ripieno und Concertino: Der italienische Typus des Concerto grosso setzt bereits ab dem ausgehenden 17. Jahrhundert sowie immer deutlicher in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts in Werken von Corelli oder Vivaldi die Kategorien Ripieno und Concertino in Beziehung. Komponisten wie Bach und Walther transkribierten diese Werke für die Orgel; hierbei hat der junge Bach-Schüler Johann Ernst Prinz von Sachsen-Weimar kein geringes Zutun. Es liegt nun für derartige Orgeltranskriptionen sowie ebenso für Bachs Orgeltoccaten (d-Moll, genannt ›dorisch‹; C-Dur; F-Dur) auf der Hand, dass ein J. S. Bach auf ein hohes Maß an Variabilität und Differenzierung hinsichtlich Geringstimmigkeit und Dichte, Ruhe und Bewegung sowie Klanggeschehen in unterschiedlichen Lagen zwischen Bass und Diskant bedacht ist. Damit stiftet er musikalisch-energetische Prozesse.

4 Die ›Seconda Prattica‹ des 17. Jahrhunderts als Wurzel des späteren Crescendo-Gedankens: Die Freiheit des Satzes anhand der Handhabung eines permanenten Wechselspiels hinsichtlich der unter Pkt. 3 subsummierten Mittel wie Geringstimmigkeit und Dichte, Ruhe und Bewegung sowie eines Klanggeschehens in unterschiedlichen Lagen zwischen Bass und Diskant wurde durch die Praxis der italienischen Toccata des 17. Jahrhunderts als sog. ›Seconda prattica‹ in die clavierte Musik Europas eingebracht. Dabei geht es darum, rhetorisch-deklamatorische Ereignisse zu pointieren und als energetisch-dramatische Prozesse zu verstehen. Man kann – sofern man dazu gewillt ist – daraus den Schluss ziehen, dass die Seconda prattica, wie sie ab dem frühen 17. Jahrhundert von Italien aus das Musikleben in Europa inspiriert hat, die Wurzel eines späteren ›Crescendo-Gedankens‹ ist. In Werken wie den eher frühen Cembalo-Toccaten Bachs (wohl nach 1713 zunächst als sechs Toccaten entstand und später komplettiert durch die Toccata fis-Moll) sowie seiner Chromatischen Phantasie und Fuge (um 1720?) werden diese italienischen Einflüsse schöpferisch ausgelotet und weitergeführt. An der Tatsache, dass Bach dort in Toccata D-Dur als Fuga I eine Fuga in fis-Moll setzt – um daran anhand der Konstellation c zu G, D zu fis und d zu e zu g eine numerisch höchst bedeutsame Symmetrie auszurichten – und an der Tatsache, zu welcher dramatischen Spannung Bach darin dann die abschließende Fuga II der Toccata D-Dur führt, wird der Crescendo-Gedanke evident.

5 Die cantable Art des Spielens: Die musikalisch-rhetorische Figur der Ribattuta (siehe Glossar) der Zeit Frescobaldis zeigt, wie sängerische Effekte auf die Orgel übertragen werden und wie die menschliche Stimme somit auf der Orgel imitiert wird: Der Effekt, wie ein Sänger seine Stimme zu Beginn einer Aria gleichsam unhörbar einsetzen lässt, um sie dann anwachsen zu lassen, kommt auf der Orgel oder dem Cembalo durch agogische Beschleunigung zustande. (siehe beispielsweise: Frescobaldi, II. Toccatenbuch, Toccata Prima in g). Fast ein Jahrhundert später finden wir dann Bachs Forderung nach einer ›cantablen Art des Spielens‹ in der Vorrede zu seinen Inventionen und Sinfonien. Damit wird das pädagogische Anliegen deutlich, den rhetorisch-deklamatorischen Aspekt in der Praxis des Umgangs mit clavierter Musik fest zu verankern.

6 Dynamisierung des Cembalo-Klanges: Beim Cembalo entsteht eine – psychologisch deutlich wahrnehmbare – Dynamisierung des Klanges durch die künstlerische Nutzung von Artikulation. Dabei geht es bei Tonfolgen darum, sich künstlerisch die Spanne von der lockeren Tongebung bis hin zum Überlegato möglichst wirkungsvoll zunutze zu machen. Rein physikalisch gilt dabei: Je tiefer der Klang, desto wirkungsvoller kommt das Überlegato zur Geltung, denn nun wächst oder schwindet das Klangvolumen.

7 Echo vs. Forte – Piano: Der Gegensatz Forte – Piano vs. Nähe – Ferne vs. Echo basiert im Concerto grosso auf dem Gegensatz Ripieno-Concertino, wobei Corelli die Solisten des Concertino nicht vor, sondern hinter dem Orchester musizieren ließ. Bereits Monteverdi schuf hierzu in seiner Oper Orpheus und Euridice für das Prinzip Ferne – Nähe im frühen 17. Jahrhundert das Urbild. Bachs Schreibweise beispielsweise in ClavierÜbung II (Italienisches Konzert vs. Französische Ouverture) kennt dann die Bezeichnung forte – piano.

8 Die Orgel als Orchesterersatz: Die Orgel als Orchester-Ersatz war in etlichen Klosterkirchen Usus (Kloster Banz; Kloster Villingen). Damit kommt die Relation Knabenchor vs. Orgelbegleitung und das Moment klanglicher Flexibilität in den Blick (s. Glossar: Orgel als Orchester-Ersatz).

Zu Ebene 2 – Folgerungen und Weiterführungen

Versteht man den Crescendo-Gedanken – und daraus den Decrescendo-Gedanken – im Wortsinn als ein Geschehen des Wachsens und Vergehens, so kennt die allgemeine Musikpraxis derartige räumliche, klangliche und satztechnische Spielmöglichkeiten der Vermittlung gegensätzlicher Elemente bereits seit dem 17. Jahrhundert zu Genüge. Zu den überkommenen klangfarblichen Mitteln in der Orgel kommen nun in Süd- und Mitteldeutschland mit Ende des 17. Jahrhunderts anhand der ›Unterscheidlichen‹ neue Spielmöglichkeiten der Vermittlung und des Übergangs hinzu. Die Orgelbauer stellen hier den Organisten ein Potenzial zur Verfügung, das der Eine dann eher mehr und der Andere eher weniger genutzt haben dürfte.

In der Mannheimer Schule erlebt der Crescendogedanke dann seine eigentliche Emanzipation. Organisten wie der 1749 in Würzburg geborene Abbé Vogler dürften die Möglichkeiten der Unterscheidlichen, wie sie zu seiner Zeit bereits völlig selbstverständlich waren, vermutlich experimentell besonders intensiv ausgelotet haben. Und so dürfte es in der Entwicklung des Mannheimer Orchester-Crescendos hinsichtlich der durch Orgeln gegebenen Experimentierfelder zu kreativen Wechselwirkungen gekommen sein. Dies gilt es weiter zu erforschen (siehe Publikationen: Hausarbeit von Christoph Preiß zu Abbé Vogler).

Im musikalischen Gebrauch der Seuffert-Orgel von 1744 in Kloster Banz wird deutlich, dass man dieser Orgel nicht gerecht würde, wenn man in ihr den orgelbaulichen und klangfarblichen Willen ignorieren würde, dass es hier auch insbesondere um Möglichkeiten der klanglichen Vermittlung, des Übergangs sowie des Zu- und Abnehmens ginge.

Zu Ebene 3 – Gabler, Dauphin, Bach und die Crescendo-Orgel

Die Spielanlage, die Joseph Gabler seiner viermanualigen Orgel in Ochsenhausen ab 1728 bis 1736 und ab 1751 gab, kann wie folgt in fünf crescendierenden Stufen und umgekehrt im Decrescendo gebraucht werden: Man koppelt alle vier Manualwerke aneinander und bewegt sich von IV (Echo) nach III (Rückpositiv) nach II (Hauptwerk, Pars minor) nach I (Pars major) nach Pedal. Ebenso gelangt man in umgekehrter Weise zum Echo-Werk. Dieser Weg steht dynamisch so zur Verfügung, dass man zwischenzeitlich kein einziges zusätzliches Register bewegen muss – wohl aber kann. Dass der Weg der dynamischen Zu- oder Abnahme dabei je nach Belieben mit Bedacht oder sehr rasch beschritten werden kann, liegt auf der Hand. Nunmehr ist – insbesondere bei Improvisationen – von einem ganz neuen variablen Gebrauch der vier Manuale sowie des Pedals auszugehen. Organisten wie Christian Daniel Friedrich Schubart oder Georg Joseph Vogler werden derartige Möglichkeiten dann ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in ihrem Orgelspiel gänzlich neu ausgelotet und neue Handhabungen der Orgel erprobt haben. An Organisten wie Schubart und Vogler macht sich aufgrund derartiger dynamischer Neuerungen der Epochenbegriff des ›Sturm und Drang‹ fest.

Johann Christian Dauphin ist Schüler des Orgelbauers Johann Friedrich Wender aus Mühlhausen. Nachdem Dauphin in Arnstadt am Bau der dortigen 1703 fertiggestellten Wender-Orgel mitgearbeitet haben dürfte, übersiedelt er 1707 nach Kleinheubach bei Würzburg, um dort eine Orgel zu errichten. Ab 1710 datiert dann dort auch seine feste Werkstatt. 1713 wird ein Akkord – also ein Vertrag – zum Neubau der Großen Orgel in Walldürn geschlossen. (Siehe: Die Orgeln in Amorbach, E.F. Schmid - F. Bösken, Schott’s Söhne 1963, B S S 5210). Äußerst bemerkenswert, weil ohne Beispiel, ist die dispositionelle Staffelung der klanglichen Basis von Groß Untersatz 32′ im Pedal, Quintatön 16′ im Hauptwerk, Lieblich Gedackt 8′ im Positiv (kombt zu beiden Seithen), Gedackt 4′ im Brustpositiv. Entsprechend verhält sich die Staffelung der Principale in den genannten vier Teil-Werken auf der Basis von 16′ // 8′ // 4′ // 2′. Hierzu korrelieren dann Staffelungen der Mensur als Rückung von zumeist je zwei Halbtönen. Damit ist dann der 2′ des Brustpositivs um acht Halbtöne enger als ein Principalregister des Pedals, sodass der nächste verjüngende Schritt als Schritt hin zum Streicher bruchlos verläuft. Es ist das gleiche Prinzip, wie es bei Hildebrandt in Naumburg (St. Wenzel, 1746), beobachtet werden kann.

Auch einer Orgel wie der Gablers in Ochsenhausen liegt das Prinzip der Staffelung und der bruchlosen Verjüngung zugrunde. Derartige Entwicklungen sind für das 18. Jahrhundert generell sowie ebenso für die gesamte Orgelgeschichte neu. Was man im 20. Jahrhundert gerne ›Terassendynamik‹ nannte, steht damit dem historischen Befund entgegen, wie er sich an der Barockorgel der Bachzeit in Süd- und Mitteldeutschland Zug um Zug als Priorität herausentwickelte und nun in Zuspitzungen eines Joseph Gabler vorliegt, nämlich als eine n e u gewonnene Bruchlosigkeit graduell abgestufter Verläufe.

Bach und der Crescendo-Gedanke
Wenig später, als Gabler seinen Orgelneubau 1736 in Ochsenhausen zunächst abgeschlossen hatte – Gabler stammt aus Mainz und Teil des Erzbistums Mainz war seinerzeit beispielsweise Erfurt als einem Hauptsitz der Bach-Familie – veröffentlicht Bach 1739 in Leipzig seinen III. Teil der ClavierÜbung. Im einleitenden Praeludium Es-Dur kommen Teile mit und ohne Pedal, Abstufungen von Forte und Piano sowie Reduktionen von der Vollstimmigkeit zur Vier-, Drei-, Zwei- und Einstimmigkeit beispielsweise im ersten Übergang von Themengruppe I nach II und ebenso auch im weiteren Verlauf des Stückes zur Anwendung.

Wiederum verhilft die Tatsache, dass Zungenregister zum Bass hin crescendieren (s. Glossar: Gravität; s. Button ›Vom Grundsatz her‹: Gravitas als Urphänomen) der Choralbearbeitung Wir glauben all an einen Gott anhand der sechs Basso-Ostinato-Auftritte zu dynamischen Verläufen. In allen Choral-Durchführungen der sechsstimmigen Bearbeitung zu Aus tiefer Not schrei ich zu dir kommt es zu einer Sukzession der Ein- bis Sechsstimmigkeit in jeweils sehr gedrängter Zeit. Man kann darin sehr klar im Sinne einer rhetorisch-deklamatorischen Aufladung das Moment der Musikdramatik erkennen, das zugleich sehr bewusst in ein dialektisches Verhältnis zur Prima prattica als dem fugierten Stil und zur Vokalpolyphonie gesetzt wird.

In all dem ist man auch an den frühen Bach und sein Wirken als Organist in Arnstadt oder Mühlhausen verwiesen.

1 In den sog. Arnstädter Chorälen begegnet man einer dramatischen Satz-Behandlung;

2 in der satztechnischen Verdichtung vom Bicinium bis hin zur Climax des Pedal-Cantusfirmus der Choralphantasie Christ lag in Todesbanden sind von Abschnitt zu Abschnitt Umregistrierungen mit Tendenz zu klanglichem Zuwachs notwendig;

3 ähnliche Beobachtungen ergeben sich anhand der aus der Mühlhausener Zeit authentisch überlieferten Registrierung Bachs in seiner Choralphantasie Ein feste Burg ist unser Gott zur Einweihung der revidierten Mühlhausener Wender-Orgel.

Ein Werk, das Bach geadelt hat, indem er es in seinem zentralen geistlichen Werk der Hohen Messe in h-Moll sogar zweimal an unterschiedlichen Orten erklingen lässt und ihm bei seiner Wiederkehr die Funktion der Climax und des Abschlusses dieses monumentalen Werkes gibt, ist das Gratias agimus und in klanglicher Wiederkehr das Dona nobis pacem. Niemand wird, wenn es in diesen beiden Sätzen zu einem sehr geradlinig progressiven Zuwachs des Instrumentariums kommt, bestreiten wollen, dass dies ein Vorgang des Crescendierens ist. Dass Bach in seiner Messe h-Moll auch in anderen Sätzen von dynamischen Vorstellungen inspiriert ist, zeigt das einleitende Kyrie, das anhand eines dynamischen Maximalkontrastes eröffnet, indem es in vollem Klang beginnt, jedoch ab Takt 5 dann bezeichnet ist mittels ›Largo ed un poco piano‹.

Entscheidend ist nun im Sinne des in diesem Artikel geführten Diskurses, dass es im Verlauf dieses Kyrie nicht bei einem ›un poco piano‹ bleiben kann.

CB