Achtfuß-Register – die Unterscheidlichen

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Aus: EBERLEIN (2016). In: Walcker-Stiftung für orgelwissenschaftliche Forschung, Link, Punkt 7.

Eberlein zitiert einen Orgelbauer namens Hans Suys aus Nürnberg, der ab 1500 in Köln ansässig war, bezüglich einer neu zu bauenden Orgel in der Kathedrale von Antwerpen. Suys fügte dem 1509 geschlossenen Vertrag

eine lange Aufzählung von allerneusten Registern an, welche die geplante Orgel enthalten wird, endend mit dem für Suys charakteristischen Satz: ›[...] und noch mehr andere seltsame Stimmen, die noch nicht in Orgeln gehört worden sind.‹ Das Entwickeln von neuen, seltsamen und fremden Stimmen scheint ein Kernanliegen von Hans Suys gewesen zu sein; er hat dieses Ziel auch 1507 im Vertrag über die Orgel des Straßburger Münsters festschreiben lassen.

Ebenso zitiert Eberlein im folgenden Absatz Arnolt SCHLICK (1511 / 1959), Kapitel 4:

Vill register zü machen sein nit löblich/ nemlich die einander etwas gleich lautten. Sondern soll mann sich fleissen der yhennen die underscheidlich vor einander zü hören und zü kennen sein.

Aus: Christoph BOSSERT, Die Königin der Konzertsaalorgeln. Zur Einweihung der neuen Klais-Orgel im Konzertsaal der Hochschule für Musik Würzburg am 27. Oktober 2016. PDF-Dokument in NANOPDF.com [08.07.2022].

Durch Orgelbauten 1672 in Hermannstadt / Siebenbürgen, 1673 in der Teynkirche Prag oder 1685 in der Abteikirche Amorbach dokumentieren sich zunehmend nachweisbare Farbstimmen, eine Häufung von Stimmen zu 8 Fuß auf demselben Manual. Dabei wird man folgern dürfen, dass die 8-Fuß-Stimmen nunmehr nicht allein zum solistischen Gebrauch bestimmt waren oder als Mischung ausschließlich in vertikaler Schichtung in Verbindung aus 8’, 4’ und 2’ verwendet wurden. Diese Farbstimmen werden Unterscheidliche genannt. Man wird ferner annehmen dürfen, dass nun insbesondere auch die horizontale Schichtung der sogenannten Unterscheidlichen im Sinne der fremden Wirkung bewusst als eine Neuerung initiiert war. Damit standen dem Organisten gerade auch in den im süddeutschen Kulturraum weithin verbreiteten einmanualigen Orgeln mit einem mal eine Vielzahl neuer Mischungsmöglichkeiten zur Verfügung. [...] In der St. Gumbertus-Kirche zu Ansbach (Wiegleb 1739) versammeln sich auf dem Hauptwerk acht Stimmen zu 8 Fuß. Die räumliche Aufstellung der Manualwerke lässt Mischungen nicht allein pro Werk, sondern auch zwischen den Werken jederzeit zu. Das Mischen der Farben bedeutet dann, dass die Stimmen der Orgel in horizontaler Richtung – also in gleicher Fußtonlage – gebraucht werden können.1

Die sechs Unterscheidlichen im Überblick

Drei Anmerkungen:

1 Erklingen Gemshorn und Viola di Gamba zusammen, so ergibt sich der delikate Echoprincipal.

2 Erklingen Quintatön und Viola di Gamba zusammen, so geht die Wirkung in Richtung einer Oboe d’amore oder Labial-Klarinette.

3 Im Gegensatz zu Süddeutschland trifft man im Mitteldeutschland häufig die Rohrflöte. Sie besteht aus Metall, ist gedeckt, zylindrisch mit einem kleinen aufgesetzten Rohr, durch das insbesondere der Terzoberton herausgebildet wird. Die Rohrflöte wäre, gemessen an süddeutschen Maßstäben, das siebte Register in der Reihe der Unterscheidlichen.

Zusätzlich zu diesen baulich unterschiedlichen Grundcharakteren bietet die barocke Farbpallette in jeder Kategorie Sonderformen oder Echoformen an: Zu Principal korreliert Geigenprinzipal, zu Flauten Doppelflöte, Flauto amabile, Hohlflöte, Rohrflöte, zu Viola di Gamba Fugara oder Salicional, zu Gemshorn Spitzflöte, zu Gedackt Stillgedackt, Doppelgedackt, Rohrflöte und anderes mehr.

1 Vgl. Christoph Bossert, Die Singularität des Süddeutschen Klangprinzips innerhalb der europäischen Klangstile nach 1670 als Wurzel der romantischen Orgel in: Alfred Reichling ( Hrsg.) Acta Organologica, Bd. 32, Kassel 2011, S. 35-50 mit einem Link zu dem hierzu gehörigen Artikel unter dem Button Publikationen.

AD/CB