Symphonische Phantasie und Fuge op. 57

19.09.2023

Sehen Sie dazu bei DVVLIO: Musikalische Feierstunde, Giengen a. d. Brenz, 19.03.2023 zu Regers 150. Geburtstag.

Wie weit hier Dantes Inferno-Dichtung der Commedia divina Pate steht, ist sicher kein unwesentlicher Aspekt.

Reger arbeitet in der symphonischen Phantasie motivisch, ähnlich wie in op. 46, mit dem Konzentrat eines Viertonmotivs aus drei fallenden Schritten, nämlich Halbton, Quart, Halbton. Formal kann man die Abschnitte Exposition, Durchführung und Reprise erkennen, wobei das erste Pianissimo sich anhand der äußerst zarten Klangfarbe, der triolischen Bewegung und besonderer Intervallik vom übrigen Geschehen völlig separiert und – wie später der pp-Teil vor der Reprise – von der himmlischen Welt kündet.

In der symphonischen Fuge wird innerhalb einer vierteiligen Anlage einerseits das Vier-Satz-Modell der klassischen Symphonik entfaltet, andererseits komponiert Reger eine »barock« anmutende Doppelfuge. Vor der Zusammenführung beider Themen in Abschnitt 4 kommt es in Abschnitt 3 zum Typus des romantischen Irrlichts als Scherzo bzw. Capriccio – oder man möchte statt Irrlicht in diesem dritten Fugenabschnitt in dialektischer Umkehrung zu Fugenabschnitt 2 das geistlich-mystische Streben zum Himmel hin erkennen.

Abschnitt 2 der Fuge, der das Fugenthema II zum Gegenstand hat, ist dann im Gesamtverlauf aus Symphonischer Phantasie und Fuge der dritte Abschnitt, der anhand von dessen Pianissimo die Ahnung der himmlischen Welt stiftet.

Hieraus erschließt sich dann Fugenabschnitt 3 in der Tat als ein geistlich-mystisches Streben zum Himmel hin.

In Abschnitt 1 der Fuge wird das Thema I durch einen Melodietopos eröffnet, der mindestens fünf Eigenschaften aufweist:

a die neue Setzung der Tonart D-Dur anstelle des d-Moll im Satz zuvor;

b die Klarheit der tonartlichen Aussage anstelle von deren völliger Verschleierung im Satz zuvor;

c die Assoziation der Choralmelodie Freu dich sehr, o meine Seele;

d die Umkehrung des thematischen Fünfton-Topos fis-e-d-e-fis bzw. e-d-c-d-e aus op. 52 in den Themenkopf d-e-fis-e-d – zum Vergleich ein anderes Palindrom: R-E-G-E-R;

e die thematische Setzung Terz anstelle Quart als Antithese zur thematischen Setzung der Quart im fallenden Viertonmotiv aus Halbton-, Quart- und Halbtonschritt der symphonischen Phantasie.

Symphonische Phantasie und Fuge op. 57