Reger, ohne Opuszahl
19.06.2023
An der 1845 im badischen Hoffenheim von Eberhard Friedrich Walcker erbauten Orgel – die heute die unter den vor 1850 erbauten Orgeln die am authentischsten erhaltene dieses Meisters ist und zugleich in Deutschland eine der ganz wenigen erhaltenen Orgeln E. F. Walckers darstellt – spielte ich den Großteil der Stücke ohne Opuszahl ein. Darunter ist die Introduktion und Passacaglia d-Moll heute am bekanntesten. Meine hermeneutische Sicht auf dieses Werk ist Apokalypse, die Wiederkunft Jesu Christi am Jüngsten Tag, die Auferstehung der Toten und die himmlische Herrlichkeit. Das Dreiermetrum der himmlischen Welt ist bestimmend; punktierte Rhythmen künden zu Beginn von Gottes Reich; absteigende Quartschritte im kurzen Mittelteil der Introduktion lassen Gottes Kommen assoziieren; der Pianissimo-Beginn des Basso ostinato der Passacaglia und dem dann in Gang kommen des Zuwachses an Stimmen, an Bewegung und an Klang eröffnet die Metaphorik der Auferstehung. Die dreimal absteigenden Tonleitern der Variation 7 werden mir zu einer Vergegenwärtigung des dreimaligen Hinabsteigens des Gottessohnes als Kind in der Krippe, als Hinabsteigen in das Reich des Todes und als der wiederkommende Herr. Dreizehn Auftritte zeitigt der Basso ostinato. Es ist dies diejenige Variation, durch die innerhalb der insgesamt 12 Variationen ab Variation 7 die zweite Hälfte der weiteren sechs Variationen eröffnet wird. Anhand der absteigenden Skalen der Variation 8 wird der eschatologische Topos bekräftigt. In Variation 9 folgen im Bass Tremolo- und im Diskant Seufzerfiguren. In Variation 10 richten sich nun die Skalenverläufe aufwärts und verkünden die Auferstehung der Toten. In Variation 11 werden die vormaligen diatonischen Skalen in intervallischer Vergrößerung nun zu aufsteigenden Dreiklangsarpeggien; zugleich wirkt das Dreiermetrum im Bass mit dem Zweiermetrum im Diskant zusammen. Die Wendung nach D-Dur in Variation 12 wirkt als Topos der Bekrönung. In den drei Schlusstakten kehrt der Beginn der Introduktion wieder und verschafft dem Werk so eine Klimax anhand des umfassenden Topos aus Alpha et Omega.
An weiteren Werken ohne Opuszahl werden folgen: O Traurigkeit, o Herzeleid; Fuge c-Moll; Heil, unserm König Heil; Schule des Triospiels; Präludium und Fuge fis-Moll; Präludium und Fuge gis-Moll; Altniederländisches Dankgebet.
1, »O Traurigkeit, o Herzeleid« ohne Op. (Wiesbaden, Dezmeber 1893)
St. Gallen-Neudorf, Orgelbau Willisau 1927
2, 1894, Wiesbaden, Choralvorspiel Komm, süßer Tod
Hoffenheim, E. F. Walcker 1845
3, 1899, Weiden, Introduction und Passacaglia d-Moll
Hoffenheim
4a, 1900, Weiden, Präludium c-Moll
Hoffenheim
4b, 1901, Fuge c-Moll
Hoffenheim
Erscheint am 19.11.2023
5, Variationen und Fuge über »Heil dir im Siegerkranz« ohne Op. (Weiden, 1901)
Dubulti (Lettland), Driver & Co, Burnley (1925)
6, 1901, Weiden, Choralvorspiel Christ ist erstanden von dem Tod
Hoffenheim
7, 1902, München, Präludium und Fuge d-Moll
Hoffenheim
8, 1903, München, Postludium d-Moll
Hoffenheim
9, 1903, München, Schule des Triospiels
Würzburg, Klais 2016 / 2023
Erscheint am 19.09.2024