Vertikales Klangprinzip
In der Musikgeschichte wird das Barockzeitalter gerne auch ›Generalbass-Zeitalter‹ genannt. Die Lebendigkeit des Generalbassspiels hängt bei den Streichern, also dem Violone und dem Violoncello, entscheidend von der Unterscheidung zwischen stärker und schwächer, also grundtöniger und obertöniger gedachten Tönen ab.
Entsprechendes lässt sich bei baulich guten Instrumenten ebenso auf der Orgel oder dem Cembalo erzeugen.
Je tiefer ein Ton, desto größer ist die Resonanz und dementsprechend variabel kann ein Ton sich gegenüber anderen Tönen verhalten. Um dies künstlerisch zu nutzen, bedarf es im Barock eines eminent differenzierten dynamischen Klangverständnisses.
Hierzu korrelieren in der Orgel Intonationsparameter insbesondere im Bassbereich sowie generell – von Italien her gedacht – die Reaktionsfreudigkeit des Principale. Die Lebendigkeit des Orgelspiels mit Prinzipalregistern fokussiert sich dementsprechend auf eine permanente Differenzierung des Anteils an 8′-Klang während des Spiels.
Wenn man im süddeutschen Kulturraum ab ca. 1670 beobachtet, wie sich der Anteil der ›unterscheidlichen Register‹ im 8′-Bereich deutlich erhöht – zum Principal und dem Gedackt kommen Register wie Viola di Gamba, Quintatön, Gemshorn, offene Flöte hinzu – so bekundet sich dadurch ein verstärktes Interesse an dynamischem Klangdenken. Werden diese Register dann in geeigneter Weise zu einem ›Grundstimmenplenum‹ (Bossert / vgl. Glossar) zusammengefügt, so summieren sich entsprechend den Gesetzen der Physik die auf Basis von Resonanz erzeugten Klangeffekte.
Aus der Summe aller derartiger Wechselwirkungen resultiert im Gefälle von Diskant zu Bass anhand kleinerer oder größerer Pfeifen das ›vertikale Klangprinzip‹ (Bossert). Da Harmonik und Melodik innerhalb des Tonalitätsprinzips untrennbar in Wechselwirkung stehen, ergibt sich daraus eine Dialektik zwischen vertikalem und horizontalem Klangverständnis vom Grundsatz her.
Vergleiche:
DVVLIO – Inhalte – Orgellehrvideos:
2016 – Würzburg / Klais, Feature 5
1745 – Venedig, San Servolo / Nachini, Klanganlayse